„Corona“-Ein Wort, welches seit Monaten zu unserem Alltag gehört und diesen bestimmt. Man hört es überall-egal ob in der Bahn, zuhause oder in den Nachrichten. Mit der Pandemie erhöhte sich einmal mehr die Verantwortung der Nachrichtenformate, korrekt mit den Fachtermini umzugehen. Am Beispiel der Tagesschau, als meistgeschautes öffentlich-rechtliches Nachrichtenformat wurde der Umgang mit den Begriffen der Krise analysiert und ethisch beurteilt.
DAS Coronavirus
Das wichtigste zuerst: DAS Coronavirus gibt es nicht. Viel mehr beschreiben Coronoviren eine Familie von unterschiedlichen Krankheitserregern, welche sich meist durch ihren Aufbau in der Elektromikrokospie ähnlich sind. „Corona“ bedeutet Kranz oder Krone auf Latein, was in diesem Fall das kranzförmige Aussehen der Viren beschreibt. Und Coronaviren gibt es auch nicht erst seit 2019. Diese Art von Viren wurde bereits in den 1960ern entdeckt. Sie infizieren sowohl Tiere als auch Menschen. Viele Coronaviren lösen nur eine leiche Erkältung aus, weswegen es nicht ganz unwahrscheinlich ist, dass viele von uns schon mal mit einem Coronavirus infiziert waren. Das Virus, welches die aktuelle Pandemie ausgelöst hat trägt die offizielle Bezeichnung SARS-CoV-2. Diese Bezeichnung ist eine Abkürzung für: severe acute respiratory syndrome coronavirus 2. Auf deutsch: schweres akutes respiratorisches Syndrom-Coronavirus 2. Dementsprechend ist Corona auch keine Krankheit. Die Krankheit, welche von SARS-CoV-2 ausgelöst wird trägt die offizielle Bezeichnung COVID-19, was für Coronavirus Disease 2019 steht. Es ist streng genommen also nicht richtig, wenn in den Medien von „Den Coronainfizierten“ oder „Der Coronakrise“ die Rede ist.
Die Tagesschau und das Virus
Die Tagesschau ist das meist geschaute Nachrichtenformat im deutschen Fernsehen und zusätzlich öffentlich-rechtlich und dadurch finanziert durch den Beitrag der Bevölkerung. Damit zusammen hängt die Verpflichtung des Auftrags, der öffentlich-rechtlichen Sender. Das bedeutet, dass sie zuständig für unsere Grundversorgung an Informationen sind. Nun ist es besonders in schweren Zeiten-wie zur derzeitigen Krise-besonders wichtig, die Menschen zu informieren und über die aktuellen Geschehnisse auf dem Laufenden zu halten. Man sollte besonders bedacht sein qualitativ hochwertige Informationen nach außen zu tragen und eine objektive Berichterstattung zu leisten, welche nicht zur Schürung von Angst beiträgt.
Um den Umgang mit dieser Verantwortung in Bezug auch die Fachtermini zu analysieren, wurden alle 20 Uhr Sendungen im Zeitraum vom 09.03.2020 bis zum 15.09.2020 der Tagesschau angeschaut und gezählt wie oft die Wörter „Corona“, „Coronavirus“, „Covid 19“ und „ Sars-Cov-2“ gesagt oder durch den Greenscreen gezeigt wurden. Die Ergebnisse sind eindeutig: Insgesamt wurde 64 mal das Wort „Corona“ gezeigt oder gesagt. 29 mal war vom „Coronavirus die Rede und nur einmal wurde die korrekte Bezeichnung der Krankheit „Covid-19“ verwendet. „SARS-CoV-2“ wurde kein einziges mal gesagt. Außerdem wurde keines der Begriffe innerhalb der 20 Uhr Sendungen in dem gewählten Zeitraum erklärt und definiert.
Da der gewählte Zeitraum noch am Anfang der Verbreitung des Virus in Deutschland war, waren dies die Fachbegriffe, welche am meisten genutzt wurden. Begriffe wie „Herdenimmunität“ und „Reproduktionsrate“ waren zu diesem Zeitpunkt noch kein Teil der Berichterstattung.
Wo genau liegt das Problem?
Nun stellt sich die Frage, ob es ein Problem ist, wenn die Begriffe der Pandemie nicht korrekt verwendet werden. Schließlich weiß ja jeder was mit dem Coronavirus gemeint ist, oder? Nicht ganz. Denn auch- oder vor allem- der Journalismus sollte sich an ethische Standards halten, welche vom Presserat im Pressekodex formuliert wurden. Dort heißt es in Ziffer 2 zum Thema Sorgfalt:
„Recherche ist unverzichtbares Instrument journalistischer Sorgfalt. Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben. Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht werden.“
So entspricht die unangemessene Wiedergabe von Fachtermini nicht den ethischen Prinzipien des Presserats, da diese nicht sorgfältig genug und schlicht falsch ist. Durch die inflationäre Nutzung des Wortes „Corona“ findet bei den Rezipienten eine Assoziation mit Krise, Pandemie und Einschränkungen statt. Dadurch wird Angst geschürt. Dies könnte zur Folge haben, dass es beim Hören des Wortes „Corona“ auch in anderen Zusammenhängen zu Angst und Panik kommt.
Stellen Sie sich nun vor, dass Sie beim Arzt sind und dieser bei Ihnen ein Coronavirus diagnostiziert. Auch wenn sie später vom Arzt aufgeklärt werden würden, würden Sie im ersten Moment vermutlich an Covid-19 denken. Vielleicht würden Sie sich Sorgen machen und denken sie müssten nun in Quarantäne.
Außerdem könnte es zu Verwirrung führen, wenn beispielsweise ein weiteres Coronavirus ausbricht und die Rezipienten durch den unverantwortlichen Umgang mit Fachtermini nicht verstehen, dass es sich um ein ganz anderes Virus handelt, als es das zur Zeit tut. Orientiert man sich an Kants kategorischen Imperativ („Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde“), so kann man den Umgang der Tagesschau mit den Begriffen ebenso als unethisch bewerten. Der Tatsache geschuldet, dass die Tagesschau ein etabliertes und außerdem von unseren Geldern bezahltes Format ist, vertrauen viele Zuschauer darauf, dass die Informationen korrekt und gewissenhaft wiedergegeben werden. Natürlich wäre es nicht als allgemeines Gesetz wünschenswert, mit dem Geld und Vertrauen anderer Menschen so umzugehen und nicht ganz korrekte Informationen zu verbreiten.
Natürlich gehört es auch zu den Aufgaben der Medien Inhalte so aufzuarbeiten, dass sie jeder versteht und nachvollziehen kann. Vermutlich ist die Verständlichkeit um einiges höher, wenn man vom „Coronavirus“ spricht anstatt von „SARS-CoV-2“. Aus dieser Sicht ist das Handeln der Tagesschau durchaus nachvollziehbar: Die korrekten Fachbegriffe sind nicht besonders leicht auszusprechen und man kann sie sich vergleichsweise schwieriger merken. Außerdem ist es leichter, für den Krankheitserreger und die dadurch ausgelöste Krankheit einfach das selbe Wort zu benutzen: Corona. Dadurch kann es nicht zu Verwechslungen der Rezipienten kommen.
Geht ethisch UND verständlich?
Vermutlich gibt es mehrere Möglichkeiten, dieses Dilemma zu lösen und den Balanceakt zwischen wissenschaftlicher Korrektheit und allgemeiner Verständlichkeit zu überwinden. Eine Argumentation könnte beispielsweise sein, dass sich die öffentlich-rechtlichen nur um die Grundversorgung kümmern müssen und fachspezifisches Wissen über andere Kanäle erlangt werden kann. Bei anderen Themenkomplexen und unter gewissen Umständen wäre diese Argumentationsweise durchaus legitim. Vor dem Hintergrund der Dauer und der Folgen der Pandemie ist es jedoch essenziell, dass jeder die Grundbegriffe kennt und versteht.
Ein Vorschlag wäre, ein Video zu produzieren, indem die aktuell relevanten Begriffe der Krise erklärt werden und immer wieder auf dieses zu verweisen. So könnte dieses beispielsweise in der Mediathek angezeigt werden und für die Leute, die das Internet nicht nutzen könnte die Folge ab und zu gezeigt werden. Angemessen wäre es auch, den Inhalt dessen immer wieder anzupassen. So wäre es von Vorteil, wenn im späteren Verlauf der Krise auch Begriffe wie „Reproduktionsrate“ erklärt werden würden. Dies wäre vor allem am Anfang der Ausbreitung des Virus in Deutschland angemessen gewesen, da zu diesem Zeitpunkt die wenigstens mit den Begriffen der Krise vertraut waren.
Natürlich kann man nicht in jeder Folge jeden Begriff den man nutzt erklären, jedoch wäre in einer solchen Situation eine Art „Basispaket“ an Fachtermini sinnvoll, sodass jeder folgen kann und auch weiteren Quellen, die genutzt werden folgen kann. Auch wenn andauernd neue Informationen kommen und man unter großem Druck steht, sollte stets sorgsam und wissenschaftlich korrekt gearbeitet werden. Denn gerade zu diesen Zeiten, sollten wir an unsere gesellschaftliche Verantwortung denken.